Dr. Ralf Stoll von der RA-Kanzlei Dr. Stoll und Sauer. (Foto: Stoll und Sauer)

Dr. Ralf Stoll von der RA-Kanzlei Dr. Stoll und Sauer. (Foto: Stoll und Sauer)

Das Interview – Fiat Abgasskandal – Fahrverbot und Stilllegung für Ducato Wohnmobile?

Diesel, Transporter, Wohnmobil

Der Fahrzeughersteller Stellantis (vorher FiatChrysler FCA) soll in Diesel-Motoren mit Abschalteinrichtungen die Abgasreinigung manipuliert haben. Es gilt die Unschuldsvermutung, solange nichts nachgewiesen ist, kann keine Anklage erfolgen.

Unstrittig scheint aber, dass Abschalteinrichtungen vorhanden waren, die Frage ist, ob sie nach der Ausnahme “Motorenschutz” (Stichwort Thermofenster) in der EU-Verordnung legal sind oder als illegal erkannt werden. Das prüft zur Zeit ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main. Das D.C.I. hat alle Beteiligten nochmals zum Sachverhalt und dem Stand der Ermittlungen befragt und mit Dr. Ralf Stoll von der in Abgasskandalen führenden Spezial-Kanzlei Dr. Stoll & Sauer im badischen Lahr ein Interview zum aktuellen Stand der Verfahren geführt.

  • Interview Dr. Ralf Stoll, Kanzlei Dr. Stoll & Sauer
Dr. Ralf Stoll von der RA-Kanzlei Dr. Stoll und Sauer. (Foto: Stoll und Sauer)
Dr. Ralf Stoll von der RA-Kanzlei Dr. Stoll und Sauer. (Foto: Stoll und Sauer)

Frage: Herr Dr. Stoll, die Fakten der mutmaßlich mit illegalen Abschalteinrichtungen manipulierten Fiat und Iveco-Motoren liegen seit Jahren klar offen. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt mittlerweile wegen Betrugs gegen den FCA-Konzern. Was tut das Bundesverkehrsministerium mit dem ihm untergeordneten Kraftfahrt Bundesamt KBA zur Aufklärung und Lösung des Skandals?

Antwort: Derzeit sind mir keine behördlichen Aktivitäten des Kraftfahrt-Bundesamt bekannt. 2016 war das KBA hingegen sehr aktiv, hat Manipulationen an der Abgasreinigung von Fiat-Motoren festgestellt und das Bundesverkehrsministerium informiert. Statt jetzt den Skandal zu unterbinden, sorgten die beiden CSU-Politiker Alexander Dobrindt, der damals Minister war, und Andreas Scheuer als CSU-Generalsekretär gemeinsam dafür, dass diese manipulierten Motoren in Fahrzeuge von Reise- und Wohnmobilherstellern eingebaut werden durften. Das hat der Hersteller Knaus Tabbert mit einem Brief an Scheuer initiiert. Scheuer wandte sich dann ans Ministerium. Unglaubliche Lobbyarbeit zu Lasten von Verbrauchern und Umwelt.

Frage: Was sagt der Hersteller der Steuergeräte, die Firma Bosch zu den Vorwürfen?

Antwort: Bosch hat Fiat beim KBA angeschwärzt. So ist die Behörde Fiat auf die Schliche gekommen. Wobei der Fiat 500x bei Abgastests der Deutschen Umwelthilfe bereits Anfang 2016 durchgefallen war. Öffentlich hat sich Bosch noch nie geäußert. Wir haben die Verantwortlichen des Unternehmens genauso wie die Herrn Scheuer und Dobrindt wegen Beihilfe zum Betrug angezeigt. In den USA hat sich Fiat Chrysler 2019 mit dem Staat und Verbrauchern verglichen. Dabei ist auch Bosch zur Kasse gebeten worden. Schon seltsam, dass Fiat in Europa bisher ungeschoren davongekommen ist.

Frage: Hat sich der deutsche Herstellerverband CIVD, dessen Mitglieder ja die Fiat und Iveco-Chassis für ihre Wohnmobile verbauen, zu der Thematik geäußert oder aktiv seine Hilfe angeboten?

Antwort: Nein, mit Hilfe von dieser Seite muss man nicht rechnen. Wir haben Schreiben von Herstellern an die Händler vorliegen. Da wird darauf verwiesen, dass Fiat versichere, mit den Motoren sei alles in Ordnung. Dann werden noch Hinweise gegeben, wie sich Händler zu verhalten haben, wenn sie Post von uns bekommen oder besorgte Verbraucher anrufen, Mails schicken, gar verunsichert vorbeikommen. Diese Vorgehensweise, so der Tenor des Schreibens an die Händler, sei mit dem Herstellerverband abgesprochen. Der Verband hat sich übrigens 2016 auch stark gemacht, dass die manipulierten Motoren in Reise- und Wohnmobile eingebaut werden dürfen.

Frage: Der FCA-Skandal betrifft ja ganz Europa. Ist nach Ihrer Kenntnis eine EU-Behörde in dieser Sache tätig geworden?

Antwort: Die Geschichte von 2016 mit dem KBA ging ja noch weiter. Nachdem die Hersteller von Reise- und Wohnmobilen beruhigt waren und die italienischen Behörden das Bundesverkehrsministerium haben abblitzen lassen, informierte das Ministerium die EU-Kommission, mit dem Resultat, dass gegen Italien seit 2017 ein Vertragsverletzungsverfahren und seit 2018 eine Klage am Europäischen Gerichtshof in Gang gesetzt wurden. Hier stehen nach unseren Informationen Entscheidungen noch aus. Die EU-Kommission teilte uns mit, dass ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs abgewartet wird. Dieses Urteil ist letzte Woche am Donnerstag ergangen. Danach sind Thermofenster, wie sie die Hersteller verwenden, unzulässig. Die EU-Kommission muss deshalb einen Rückruf gegenüber Italien und Fiat durchsetzen. Im schlimmsten Fall droht die Stilllegung der Fahrzeuge.

Frage: Welche Motorentypen sind nach Ihrem Kenntnisstand von den mutmaßlich illegalen Abschalteinrichtungen betroffen?

Antwort: Das ist für die verunsicherten Verbraucher die wichtigste Frage. Nach unserem Kenntnisstand sind alle Euro-5 und Euro-6-Motoren betroffen. Nur die Fahrzeuge mit der Euronorm 6dTemp und 6d sind angeblich sauber. Der Umweltexperte Axel Friedrich hat zahlreiche Fiat-Motoren getestet und ist zu diesem für Verbraucher und Umwelt besorgniserregenden Ergebnis gekommen. Jüngst haben wir als Kanzlei zwei Fahrzeuge mit verheerenden Ergebnissen testen lassen.

Frage: Welche Mobile waren das und wie sahen die Ergebnisse konkret aus?

Antwort: Wohnmobile der Hersteller Pilote und Dethleffs, die mit Fiat-Ducato-Motoren ausgerüstet sind, haben die gesetzlichen Abgasgrenzwerte für Stickoxide gesprengt. Fahrzeuge mit der Euroabgasnorm 5 überschreiten den Grenzwert für leichte Nutzfahrzeuge (280 mg/km) im normalen Straßenverkehr um das 9,9- beziehungsweise 6,9-fache. Die Ergebnisse haben wir der Staatsanwaltschaft Frankfurt zur Verfügung gestellt.

Frage: Welche Folgen kann das für Eigner von Wohnmobilen mit solch einem betroffenen Motor rechtlich haben?

Antwort: Die Staatsanwaltschaft Frankfurt hat es in ihrer Pressemitteilung vom Juli 2020 zum Ausdruck gebracht. Die Motoren sind im europäischen Markt nicht genehmigungsfähig. Fahrverbote und Stilllegungen drohen. Und die Gefahr, dass ein Vollzug real wird, ist nicht von der Hand zu weisen. Mit einem Software-Update wird es nicht getan sein nach dem Urteil des EuGH von letzter Woche. Dazu müsste schon die Hardware nachgerüstet werden. Und das ist kostspielig und aufwendig. Das Software-Update bei VW hat auch nicht das erwünschte Ergebnis gebracht. Gerichte beschäftigen sich bereits damit. Es gibt Urteile aus denen hervorgeht, dass das Update erneut eine Abschalteinrichtung ist. Dies wird jetzt durch das neueste Urteil des EuGH bestätigt.

Frage: Was empfehlen Sie den jetzt stark verunsicherten Wohnmobil-Eignern?

Antwort: Wir haben zum Fiat-Skandal eine eigene Facebook-Gruppe gegründet. Bei der Durchsicht der Beiträge und den Diskussionen mit den Verbrauchern ist mir klar geworden, wie emotional die Leute an ihren Fahrzeugen hängen, wie viel Arbeit sie in den Ausbau gesteckt haben und wie viele schöne Erinnerungen sie mit dem WoMo verbinden. Ich verstehe die Verunsicherung. Ich empfehle trotzdem, kühlen Kopf zu bewahren. Der VW-Skandal hat gezeigt, dass die Beteiligten immer auf Zeit spielen und hoffen, dass möglichst viele Fälle verjähren und sich der zu zahlende Schadensersatz in Grenzen hält. Das betrifft Motoren- und Fahrzeughersteller sowie auch die Händler. Die bilden eine starke Gemeinschaft gegen den einzelnen Verbraucher. Der sollte sich von einer spezialisierten Kanzlei wie der unseren anwaltlich beraten lassen. Nur gemeinsam können die Verbraucher der Industrie der Stirn bieten. Und ganz wichtig: Von der Politik und dem KBA ist nichts zu erwarten. Wichtig ist unbedingt auf die Verjährung zu achten. Abwarten ist daher keine Option.

Frage: Welche Möglichkeiten haben die Verbraucher gegen Händler oder Hersteller vorzugehen?

Antwort: Solange die zweijährige Gewährleistung nicht abgelaufen ist, kann sich der Verbraucher immer an den Händler wenden. Die Fahrzeuge sind mit einer Abschalteinrichtung mangelhaft. Das hat der Bundesgerichtshof bei VW schon festgestellt. Das funktioniert auch bei Fiat. Generell kann gegen Fiat beziehungsweise CNH (Iveco) geklagt werden – auch in Deutschland. Der Europäische Gerichtshof hat in einem Verfahren im Sommer entschieden, dass Verbraucher gegen Autobauer in ihrem Heimatland klagen können, in dem sie das Fahrzeug ja auch erworben haben. Es spielt also keine Rolle, wo der Autobauer seinen Firmensitz hat. Ansprüche gegen Fiat und CNH sind auch nach Ablauf der zweijährigen Gewährleistungszeit möglich. Dies gilt sowohl für Neuwagen als auch für Gebrauchtwagen, egal ob sie von einem Händler oder von einem Privatmann gekauft wurden.

Frage: Sind schon erste Klagen in der Causa FCA in Deutschland anhängig, wird es wieder eine Sammelklage geben?

Antwort: Wir haben bereits die ersten Klagen gegen FCA laufen. Eine geht auch gegen den Hersteller Knaus Tabbert, der hat ja mit seiner Intervention erst dafür gesorgt, dass die Fiat-Motoren auch in der Reise- und Wohnmobilbranche verbaut wurden. Im Januar 2021 ist der erste Gerichtstermin am Landgericht Freiburg anberaumt. Eine Sammelklage wäre natürlich gerade im europäischen Kontext höchst interessant. Wir haben mit der Musterfeststellungsklage gegen VW erste Erfahrungen auf deutscher Ebene sammeln können. Diese Musterfeststellungsklage haben wir geführt gegen VW und dafür gesorgt, dass zirka 240.000 Geschädigte eine Entschädigung erhalten. Bisher gibt es noch keine Avancen zu einer neuen Musterklage – aber was nicht ist, kann ja noch werden.

Herr Dr. Stoll wir danken für das Gespräch.

Infos: Zur Webseite Kanzlei Dr. Stoll & Sauer

Weitere Informationsquellen

Unser Bericht über Plusminus

Unser Bericht über Fahrzeuge – Welche Modelle sollen betroffen sein?

Unser Bericht über das EuGH-Urteil – Abschaltvorrichtungen illegal

Kraftfahrtbundesamt – Rückrufdatenbank